BIM in Australien und Deutschland
Die Building Information Modeling (BIM) Technologie sollte nicht als Einführung einer neuen Software verstanden werden. Es ist vielmehr eine neue kooperative Arbeitsmethodik, mit der auf der Grundlage digitaler Modelle Informationen konsistent erfasst, verwaltet und transparent kommuniziert werden können. Wie in Deutschland, nimmt auch in Australien die Anzahl der Unternehmen, die die BIM Technologie in ihren Arbeitsprozess implementieren, stetig zu. Dies führt langfristig in beiden Ländern zu einem Kulturwandel im Bauwesen, der die Projektabwicklung als Ganzes und die bisher gelebten Kooperations- und Arbeitsprozesse sowie die Organisationsstrukturen im speziellen, maßgeblich verändern wird. Festzustellen ist, dass dieser Kulturwandel bereits in Deutschland und Australien begonnen hat, aber es gibt auch Unterschiede in der Art der Implementation und Akzeptanz.
BIM Leitfäden, Stufenpläne und Standardisierung
Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung der Bauindustrie in Deutschland und Australien ist es offensichtlich, dass sich BIM bereits zum Teil, und in den nächsten Jahren vollständig, als Standard etablieren wird. Dies ist insbesondere im öffentlichen Sektor zu erwarten. In Deutschland wurde die BIM Methode erstmalig mit der Novellierung der HOAI 2013 namentlich als „3D oder 4D Gebäudemodellbearbeitung (Building Information Modelling)“ als besondere Leistung in die Vorplanung eingeführt. Eine Entwicklung, die grundsätzlich zu begrüßen ist, aber noch längst nicht den aktuellen Anforderungen gerecht wird.
Anfang 2014 folgte die Veröffentlichung des „BIM Leitfaden für Deutschland“ durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Der BIM-Leitfaden ist in diesem Zusammenhang als Hilfestellung gedacht. Der Leitfaden beinhaltet, neben einigen Anregungen und Erfahrungsbeispielen zur Entwicklung von sogenannten „BIM Abwicklungsplänen“ (BAP), keine verbindlichen Vorgaben dazu, wie BIM allgemein und umfassend in Deutschland eingeführt werden soll.
In Australien wird die BIM Implementation derzeit nur von Organisationen innerhalb der Industrie, wie beispielsweise NATSPEC (National Specification System of Australia) und BuildingSMART Australasien, sowie im privaten Sektor im Bereich der Standardisierung vorangetrieben. Der erste nationale Leitfaden mit Fallbeispielen für das digitale Modellieren in Australien wurde 2009 veröffentlicht. Dieser sollte – ähnlich wie der BIM Leitfaden für Deutschland – einen ersten Einblick in die BIM Technologie ermöglichen und auf die Veränderungen hinweisen, die notwendig sind, um eine vollständige Umstellung auf eine gemeinschaftliche modellbasierte Planung zu ermöglichen.
Zwei Jahre Später folgte die Veröffentlichung des „NATSPEC National BIM Guide“. In seiner aktuellen Form stellt dieser Guide eine Zusammenstellung von BIM relevanten Dokumenten dar, die als Referenz zur Implementation innerhalb eines Projektes verwendet werden können.
Darauf folgend veröffentlichte BuildingSMART Australasien den „National BIM Initiative Report“ im Juni 2012. Dieser Report empfahl der australischen Regierung, vom 1. Juli 2016 an „Open BIM“ als einen universellen Kooperationsansatz, basierend auf offene Standards und Arbeitsabläufe vorzugeben.
Trotz dieser Empfehlung und der fortgeschrittenen Entwicklung innerhalb der Industrie gibt es von Seiten der Regierung noch keine Verpflichtung BIM einzusetzen, da es unter anderem auch weiterhin noch an staatlichen oder gesetzlichen bzw. rechtlichen Rahmenbedingungen fehlt, um diese einheitlich ausführen zu können. Nachdem jedoch erkannt wurde welche positiven Veränderungen durch BIM innerhalb der Planung, Ausführung und im Betrieb eines Gebäudes erzielt werden können, regt die australische Regierung zunehmend die Industrie verstärkt an, die BIM Technologie zu implementieren. Ergänzend dazu hat das parlamentarische Komitee für Infrastruktur, Transport und Stadtentwicklung im März 2016 empfohlen, dass für alle öffentlichen Projekte, die durch die australische Regierung finanziert und ein Volumen von $ 50 Millionen überschreiten, BIM Technologie vorgegeben werden sollte.
Grimshaw und BIM Technologie: Das UNSW Material Science and Engineering Building
Wie gestaltet sich diese Entwicklung nun in der Praxis? Das Architekturbüro Grimshaw, das 1980 von Sir Nicholas Grimshaw in London gegründet wurde, agiert heute mit über 400 angestellten und Bürostandorten in New York, London, Melbourne, Sydney and Doha rund um den Globus. Das Grimshaw Studio in Sydney wurde im November 2010 durch Andrew Cortese gegründet und hat sich seitdem zu einem Team von mehr als 80 Mitarbeitern entwickelt.
Das $145 Millionen Materials Science and Engineering Building (MSEB) der University of New South Wales ist eines der ersten BIM Projekte des Studio in Sydney. Nach einem erfolgreichen Entwurfswettbewerb, wurden das Konzept und die Ausführung des 23.000m² großen Gebäudes 2011 an Grimshaw Architects als Head Design Consultant, HDR Architecture als Consultant für die Laborplanung, TTW und Steensen Varming als Principal Sub-Consultant und Brookfield Multiplex als Contractor vergeben.
Die Strategie für die Entwicklung und Ausführung der Gebäudedatenmodelle innerhalb der Entwurfs- und Dokumentationsphase basierte auf den BIM Level 2 Anforderungen (Submission LOD 300). Im Allgemeinen zeichnen sich diese Anforderungen durch das gemeinschaftliche Arbeiten aus. Jede Disziplin entwickelt dazu die notwendigen fachspezifischen Modelle, die in der Kombination mit den anderen Fachmodellen das Gesamtmodell ergeben. Die eigentliche Herausforderung in Bezug auf der Zusammenarbeit und der geforderten BIM Qualität liegt in der Form des Datenaustausches zwischen den jeweiligen Planungsbeteiligten.
Für das MSEB wurde Revit als primäre BIM-fähige CAD Software ausgewählt. Die Nutzung des „Chameleon“ Plug-Ins für Grasshopper und Revit ermöglichte es zudem Modelle, die zuvor mit Rhino / Grasshopper erstellt wurden, direkt in die jeweiligen Revit Modelle zu verknüpfen. Diese Kombination von Applikationen ermöglichte es dem Team, Planungsinformationen über ein gemeinsames Dateiformat (RVT) auszutauschen und die Daten zu einem sogenannten „Federated BIM Model“ zusammenzuführen und zu prüfen.
Das BIM Management wurde für dieses Projekt auf Basis der NATSPEC Standards ausgeführt. Entsprechend dem NATSPEC National BIM Guide: Abschnitt 3.1 und wie für ein BIM Level 2 Projekt üblich, wurde bereits zu Beginn des Projektes ein sogenannter „BIM Management Plan“ (BMP) entwickelt. Dieses Dokument beschreibt in der Regel alle BIM relevanten Arbeitsabläufe und Richtlinien, die in jeder Phase des Entwurfs- und Planungsprozesses umgesetzt werden müssen. Es steht darüber hinaus im direkten Zusammenhang mit dem sogenannten „Project BIM Brief“. In Kombination sind diese beiden Dokumente allgemein vergleichbar mit dem in Deutschland üblichen „BIM Lastenheft“ und „BIM Abwicklungsplan“ (BAP).
Im Anhang zum BMP befindet sich in der Regel der technische Teil, der sogenannte „Technical Appendix“. Dieses Dokument enthält detaillierte Informationen, Tabellen und technische Vorgaben, die für den BIM Manager und die jeweiligen Modell Manager von Interesse sind. Im Gegensatz zu dem Technical Appendix wird die sogenannte „Level of Development (LOD) Specification“ jedoch erst im späteren Verlauf bzw. nach Abschluss der Entwurfsphase entwickelt und entsprechend dem BMP hinzugefügt. Dieses Dokument ist eine Referenz, die es den Projektbeteiligten ermöglicht den Inhalt und die Zuverlässigkeit der Modelle in verschiedenen Stadien der Planung- und Ausführung detailliert zu spezifizieren und mit einem hohen Maße an Klarheit zu dokumentieren.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit und Umsetzung eines BIM-basierenden Projektes nur möglich ist, wenn anerkannte Standards und Regularien vorliegen. Im Vergleich zu Deutschland gibt es in Australien jedoch bereits durch die Industrie entwickelte Standards und Spezifikationen, die in BIM basierenden Projekten eingesetzt werden können.
Allerdings liegen auch hier noch keine durch den zuständigen Gesetzgeber veröffentlichten Qualitätskriterien vor – eine vergleichbare Situation wie in Deutschland. Aber auch in diesem Bereich ist eine Veränderung zu erwarten, nachdem die Regierung im März 2016 die Bildung einer „Smart Infrastructure Task Force“ nach dem Vorbild der britischen „UK BIM Task Group“ empfohlen hat.